Der VfL Oldenburg muss ab dem Sommer ohne seine langjährige Rechtsaußen auskommen: Maike Schirmer hat angekündigt, nach der Saison ihre Karriere zu beenden. Die Linkshänderin kehrte 2021 aus Toulon an die Hunte zurück, wo sie bereits 2008 ihren ersten Bundesligavertrag unterschrieben hatte und bis 2016 für den VfL auflief. Mit der Handball-Nationalmannschaft nahm Schirmer im November an der Europameisterschaft in Slowenien, Nordmazedonien und Montenegro teil.
„Derbysieger, Derbysieger“ schallte es am Mittwochabend, 14. Dezember, kurz nach 21 Uhr durch die Halle Nord in Buxtehude. Freudestrahlend feierten die Oldenburger Handballerinnen, gemeinsam mit den mitgereisten Fans, den vierten Saisonsieg. Für Maike Schirmer war der Sieg dabei ein ganz besonderer, nicht nur, weil sie das Duell gegen ihren ehemaligen Verein gewann. Es war auch der letzte Bundesligaauftritt der 32-Jährigen in Buxtehude. Denn: Am Ende der Saison beendet Maike Schirmer ihre Karriere. Fast 14 Jahre Handball-Bundesliga, drei Triumphe im DHB-Pokal, der Gewinn des Supercups 2009 und die Teilnahme im November bei der Europameisterschaft mit der Nationalmannschaft: Es sind eine ganze Reihe an Erfolgen, die in der Vita der Rechtaußen stehen. „Was soll noch kommen mit dann 33 Jahren“, sagt Schirmer, die es sich mit ihrer Entscheidung nicht leicht machte: „Ich bin gesund und kann es selbst entscheiden, ohne es von Verletzungen oder der Leistung abhängig zu machen. Das war mir wichtig. Man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist.“
Zumal sich für Schirmer mit dem Karriereende in Oldenburg ein Kreis schließt. Im Sommer 2008 wechselt die damals 17-Jährige vom VfL Bad Schwartau aus Schleswig-Holstein nach Niedersachsen, um sich ihren Traum als Bundesligaspielerin zu verwirklichen. „Ich hatte in Oldenburg bereits beim Probetraining ein richtig gutes Gefühl“, erzählt sie. Bis sie zur gestandenen Bundesligaspielerin reift, ist es jedoch ein weiter Weg. Unter VfL-Coach Leszek Krowicki ist zunächst Hæge Fagerhus auf Rechtsaußen gesetzt. „Ich habe damals viel auf der Bank gesessen und meine erste Bundesligaluft erst nach drei Jahren so wirklich geschnuppert“, erinnert sich Schirmer, die auch bei ihrem Debüt gegen Trier nur zu einem Kurzeinsatz kommt. Über die zweite Mannschaft sammelt das junge Nachwuchstalent damals Spielpraxis, erlebte 2011 die Beluga-Krise, die den VfL wirtschaftlich bis ins Mark trifft, hautnah mit. „Das war eine harte Zeit“, erinnert sie sich.
Sportlich gesehen sind diese Jahre für Maike Schirmer aber erfolgreich. Sie entwickelt sich mehr und mehr zur gestandenen Bundesligaspielerin, nimmt an der Juniorinnen-WM in Südkorea (2010) teil und gibt im Juni 2012 gegen Aserbeidschan ihr Debüt in der A-Nationalmannschaft. Auch nach einer kurzen Handball-Auszeit (beruflich in Kolumbien) kehrt sie noch in der laufenden Saison nach Oldenburg zurück. „Ich habe in Bogotá gemerkt, wie sehr ich den Handball vermisse und durfte direkt wiederkommen. Mit Jenny Behrend und Kira Schnack waren wir damals aber drei Außenspielerinnen“, erzählt Schirmer, die sich nach acht Jahren in Oldenburg entscheidet, nach Buxtehude zu wechseln und von 2016 bis 2020 für den niedersächsischen Bundesliga-Kontrahenten des VfL auf der Platte steht. „Die Zeit in Buxtehude hat mir noch einmal einen Kick gegeben, mich zurück in den Kreis der Nationalmannschaft gebracht. Ich brauche eine Umgebung, in der ich mich wohlfühle, um auch gut Handball zu spielen“, so Schirmer. Die Vereinsstrukturen in Oldenburg und Buxtehude seien dabei vergleichbar. Schirmer: „Das hat es mir einfach gemacht.“
Trotzdem zieht es die Rechtsaußen im Sommer 2020 aus Norddeutschland ans Mittelmeer – zum französischen Erstligisten Toulon Saint-Cyr Var. „Ich habe mir gedacht: ,Wenn nicht jetzt, wann dann“, sagt Schirmer, die es sich mit ihrem Wechsel ermöglicht, den Fokus einzig und allein auf den Handball legen zu können und nicht, wie beim VfL und BSV, nebenbei noch arbeiten. 2021 kehrt Maike Schirmer nach Oldenburg zurück – und übernimmt im jungen Team von Trainer Niels Bötel mit all ihrer Erfahrung gleich eine wichtige Rolle ein – und hat somit auch ihren Anteil an der Finalteilnahme im DHB-Pokal in der vergangenen Saison.
Statt täglicher Trainingseinheiten und langen Auswärtsfahrten dürften ab Sommer Familie und Beruf mehr Aufmerksamkeit bei Maike Schirmer erhalten. „Die Auswärtsfahrten werde ich nicht unbedingt vermissen, auch wenn ich die Zeit für Sachen genutzt habe, zu denen man sonst nicht so kommt, wie das Stricken“, schmunzelt sie: „Man freut sich auf solch alltägliche Sachen, zu Geburtstagen oder Veranstaltungen zu gehen, der Familie auch mal zusagen.“ Auf Sport verzichten wird Schirmer dabei aber ganz sicher nicht. „Das wird auch weiterhin viel bleiben, denn der Sport ist für mich eine kleine Sucht. Und als Leistungssportlerin von 100 auf null zurückzufahren, wird ohnehin nicht gehen.“ Das Karriereende ermöglicht stattdessen neuen Sportarten, wie Tennis oder Crossfit, eine Chance zu geben. „Es sind einfach Sachen, zu denen man sonst keine Zeit hat, wie abends mal einen Kochkurs besuchen oder sich beruflich weiterzubilden“. Langweilig dürfte es bei der 32-Jährigen also auch im Leben nach dem Handballsport nicht werden.
Vorher hat Maike Schirmer mit den Oldenburger Handballerinnen aber noch eine Menge vor. „Bei uns im Team ist ein unheimlicher Team- und Kampfgeist. Wir haben zum Vorjahr einen Schritt gemacht und in den Spielen auch das Quäntchen Glück“, sagt die 32-Jährige. Die wichtigen Spiele würden aber jetzt auf dem Programm stehen. „Wir waren in den letzten Wochen gut drauf, wollen uns deshalb aber nicht unter Druck setzen.“ Neben einer guten Platzierung in der Schlusstabelle der Bundesliga blickt Schirmer dabei auch auf den Pokal – wo im Viertelfinale die HL Buchholz 08-Rosengarten auf den VfL warten. „Wir sind Favorit und wollen dieser Rolle gerecht werden“, gibt sich die VfL-Handballerinnen kämpferisch: „Alle haben in der letzten Saison erlebt, wie geil die Teilnahme am Final4 ist. Das wollen wir noch einmal schaffen.“ Drei Mal gewann Maike Schirmer in ihrer Karriere den DHB-Pokal (2009 & 2012 VfL Oldenburg, 2017 Buxtehuder SV), stand mit dem VfL im vergangenen Jahr im Endspiel.